Die Geschichte einer Geige



Pressetext / Klaus Plaschke / Lesestück

Ein alter Fußboden aus Sterzing kehrte als Instrument zurück

Es gibt sie noch, die Geschichten, die nur das Leben schreiben kann, die sich nicht inszenieren lassen und auch nicht erfinden. Im frühen Sommer 2003 besuchte Klaus Plaschke, seines Zeichens Flügel- und Klavierhändler aus Leidenschaft, die Musikschule Sterzing. Zu dieser Zeit begann in der Fuggerstadt der Umbau der Musikschule. Just an diesem Tag hatten Bauarbeiter ein Loch in den Dachstuhl gerissen. Dort schauten nun einige lange Holzbohlen heraus. Altes Holz. Von tausenden Schuhen in Jahrhunderten niedergetrampelt. Das erregte die Aufmerksamkeit von Klaus Plaschke. Ohne weiteren Umweg sprach er mit dem Musikschuldirektor Heinrich Pramsohler und rettete einige Bretter des rund 500 Jahre alten Holzboden vor der Entsorgung auf der Deponie.
Die Fichtenbretter, immer fünf Zentimeter stark und dreißig Zentimeter breit, traten daraufhin im Winter 2003 ihre Reise ins bayerische Mittenwald an und landeten in der Geigenbauerwerkstatt des Geigenbaumeisters Heinz Friedrich Krause. Der 72jährige wusste den kostbaren Fund genauso zu schätzen wie Klaus Plaschke und machte sich eilig an die Arbeit, eine erste Geige aus dem wunderbaren Holz zu fertigen.
Der Fluss des Lebens aber wollte es, dass der Geigenbauer Heinz Friedrich Krause aus Mittewald eines Morgens im März 2004 in den Nahverkehrszug stieg und dort auf offener Strecke einem Herzinfarkt erlag. Der Meister wurde beerdigt und in seiner Werkstatt lag verwaist die halbfertige Geige. Kurz entschlossen kaufte Klaus Plaschke die ganze Werkstatt und rettete so die Hinterlassenschaft des Geigenbauers Heinz Friedrich Krause aus Mittenwald.
Nun könnte man meinen, die Geschichte hätte schon hier ein gutes Ende genommen. Hat sie eigentlich auch. Aber sie ist damit nicht zu Ende. Beileibe nicht. 2002 nämlich hatte Klaus Plaschke den Sterzinger Michael Stauder kennen gelernt. Ein interessierter junger Mann mit einer ausgeprägten Affinität für Musikinstrumente, der die weltberühmte Geigenbauerschule in Mittenwald besuchte. 2005 bestand Michael Stauder seine Prüfung und absolviert derzeit in Zürich ein Berufspraktikum.
Der alte Holzfußboden hat seinen Weg mit Hilfe von Klaus Plaschke nach Sterzing zurück gefunden. Die Einrichtung von Heinz Friedrich Krauses Werkstatt ist auch dort gelandet. Ab 2007 wird Michael Stauder beginnen mit dem Werkzeug des Meisters aus Mittenwald Geigen zu bauen. Das halbfertige Instrument aus Krauses Werkstatt, gefertigt aus 500 Jahre alten Holzbodenbrettern der Musikschule Sterzing, hat Stauder bereits vollendet.
Am 14. Oktober 2006 wurde in einem feierlichen Akt die umgebaute Musikschule Sterzing eingeweiht. Im Rahmen der Feierlichkeiten hat Klaus Plaschke dem Direktor Heinrich Pramsohler die „Deutschhaus Geige“ als Geschenk überreicht. Hergestellt aus einem Stück des mittelalterlichen Bodens der Sterzinger Musikschule, den Klaus Plaschke vor der Deponie rettete, aus dem dann der Mittenwalder Geigenbauer Heinz Friedrich Krause begonnen hatte, ein Instrument zu bauen, bevor er so plötzlich verstarb und das schließlich von einem Sterzinger Nachwuchs-Geigenbauer zu Ende gebaut worden ist ...
Walther Lücker