Kam ein Flügel geflogen

Hütten-Konzert in den Bergen der Zillertaler Alpen / Veranstalter Klaus Plaschke zufrieden

Eine außergewöhnliche Musikveranstaltung sorgte am vergangenen Samstag in den stillen Zillertaler Bergen für Aufsehen. Ein Flügel wurde per Hubschrauber eingeflogen und dann gab es Mozart, Brahms und Liszt.

Die Sache dauerte kaum einhundertdreißig Sekunden. Dann war der gewichtigere Teil des Unternehmens bereits erledigt. Die Wanderer und Bergsteiger rund um den Neves-Stausee in Lappach staunten nicht schlecht, als am vergangenen Wochenende ein Hubschrauber mit einer nicht ganz alltäglichen Fracht über das türkisfarbene Wasser bergwärts schwebte. Ziel des ungewöhnlichen Fluges war die Chemnitzer Hütte an der Südseite der Zillertaler Alpen und am Ende des Tragseils hing ein wertvoller Flügel der Marke Steinway & Sons.

Schließlich stand das ebenso teuere (108.000 Euro) wie prachtvolle Stück mit seinen 2,74 Meter Länge und einem stattlichen Gewicht von 480 Kilogramm in 2420 Meter Meereshöhe vor der Hütte. Veranstalter Klaus Plaschke, dessen Unternehmen in Südtirol und über die Grenzen hinaus Flügel und Klaviere vertreibt, verleiht, stimmt und repariert, atmete beruhigt auf: „So ein Flug ist eine heiße Nummer“.

Der plötzliche Kälteeinbruch in den Alpen aber machte Mensch wie Material gleichermaßen zu schaffen. In der Höhe lagen die Temperaturen nicht weit über den Gefrierpunkt. Die erstaunten Wanderer schlotterten im eisigen Wind und der Wiener Pianist Florian Krumpöck wartete in einer dicken Daunenjacke auf seinen außergewöhnlichen Einsatz. Und wegen der Höhen- und der Temperaturunterschiede musste der Flügel eigens neu gestimmt werden.

Die Sonate in C-Dur, KV 330 von Wolfgang Amadeus Mozart, der Walzer in As-Dur, Nr. 15 Opus 39 von Johannes Brahms und das Sonetto del Petrarca von Franz Liszt – das Ganze am Fuß der vergletscherten Zillertaler Berge, zwischen Wanderstiefeln und Spiegeleiern mit Speck, zwischen Bergsteigerwaden und Rucksäcken. Florian Krumpöck verstand es mit weniger wie ursprünglich geplant, sein Publikum zu verzaubern. Am Ende entschuldigte er sich zaghaft: „Es tut mir leid, es geht nicht, meine Finger sind einfach zu kalt.“ Doch wer hätte dem Meisterschüler von Rudolf Buchbinder das nicht verziehen, wenn doch neben dem Flügel schon die Zuhörer zitterten.

„Es ist nicht die Frage, wie viel und wie lange gespielt worden ist“, sagte Veranstalter Klaus Plaschke aus Sand in Taufers, „ wichtig ist, dass wir zeigen konnten, dass es möglich ist, ein klassisches Konzert an einem sehr exponierten Ort und in einem eher kuriosen Rahmen auf die Beine zu stellen.“

Es brauchte schließlich zehn bärenstarke Südtiroler, um den Steinway, der unter Pianisten als so etwas wie ein Heiligtum gilt, von der Hütte weg zu seiner Abflugposition zu tragen. Und irgendwie passte es zu diesem absonderlichen Nachmittag, dass die Sonne genau in dem Moment zu scheinen begann, als der Flügel wieder davonflog. Roland Gruber, Hüttewirt auf der Chemnitzer Hütte, winkte dem auf Hochglanz polierten guten Stück wehmütig nach: „Ein tolle Veranstaltung. Das könnte schnell eine gute Tradition bekommen.“
Pressetext von Walther Lücker